Eine parlamentarische Interpellation stellt die Frage nach der Schweizer Position zu einem Atomwaffenverbot.
Am 15. September 2014 hat die NationalrÀtin, Isabelle Chevalley, eine Interpellation (14.3723) mit folgenden Fragen an den Bundesrat eingereicht:
- Welche Position wird die Schweiz im Rahmen der Wiener Konferenz zu den humanitĂ€ren Auswirkungen von Kernwaffen im Dezember 2014 vertreten? Bedeuten diese neuen Töne, dass die Schweiz ihre Teilnahme an den Verhandlungen ĂŒber ein solches Abkommen von der Teilnahme der fĂŒnf offiziellen AtommĂ€chte abhĂ€ngig macht?
- Sollte die Schweiz – angesichts ihres Status als DepositĂ€rstaat der Genfer Konventionen und angesichts ihrer langen humanitĂ€ren Tradition – bei der atomaren AbrĂŒstung nicht eine fĂŒhrende Rolle ĂŒbernehmen?
- Kann der Bundesrat erklÀren, weshalb sich die Haltung der Schweiz nicht mit derjenigen des IKRK deckt, wenn es mit Blick auf den Abschluss eines solchen Abkommens darum geht, möglichst rasch Verhandlungen aufzunehmen?
ICAN Switzerland begrĂŒsst diese Interpellation und freut sich ĂŒber das wachsende Interesse, das die Mitglieder des Parlaments der humanitĂ€ren Dimension der nuklearen AbrĂŒstung entgegenbringen. Mehrere Schweizer ParlamentarierInnen betrachten ein internationales Verbot von Atomwaffen als ein humanitĂ€res Gebot, das notwendig, machbar und immer dringender wird. Darum unterschrieben sie den parlamentarischen Aufruf fĂŒr ein Atomwaffenverbot.
Wie Isabelle Chevalley in ihrer Interpellation aufzeigt, spielte die Schweiz eine Vorreiterrolle in Bestrebungen die humanitĂ€re Dimension der nuklearen Bedrohung ins Zentrum der AbrĂŒstungsdebatte zu rĂŒcken. Sie initiierte die erste gemeinsame ErklĂ€rungen zu den humanitĂ€ren Auswirkungen von Atomwaffen im Rahmen einer Konferenz der Vertragsparteien des Atomwaffensperrvertrags (NPT). Als Wiege der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und DepositĂ€rstaat der Genfer Konventionen ĂŒberrascht es nicht, dass die Schweiz diese Rolle ĂŒbernommen hat.
Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, zu der auch das IKRK gehört, forderte 2011 alle Staaten dazu auf âunverzĂŒglich Verhandlungen aufzunehmen, um ein rechtsverbindliches, internationales Abkommen abzuschliessen, das den Einsatz von Atomwaffen verbietetâ. Ein solches Ăbereinkommen wĂŒrde eine rechtliche Unstimmigkeit korrigieren. Atomwaffen sind nĂ€hmlich die einzigen Massenvernichtungswaffen, welche noch nicht durch einen internationalen Vertrag verboten sind.
Der Bundesrat plĂ€dierte 2013 klar fĂŒr ein internationales Verbot von Atomwaffen. Seit einigen Monaten scheint sich jedoch die offizielle Rhetorik von Bern verĂ€ndert zu haben. WĂ€hrend einer NATO-Konferenz, die im Juni 2014 in Interlaken stattfand, erwĂ€hnte BundesprĂ€sident Didier Burkhalter ein solches Ăbereinkommen mit keinem Wort. Hingegen beschrieb er das âbridge-buildingâ und den Dialog mit den AtommĂ€chten als notwendige Bedingung um Fortschritte auf dem Weg hin zu einer Welt ohne Atomwaffen zu erzielen. Die Schweiz bevorzugt derzeit, wie es scheint, die sogenannte âstep-by-stepâ Methode zur nuklearen AbrĂŒstung. Deren Erfolg ist allerdings vom Goodwill der AtommĂ€chte abhĂ€ngig â jenen Staaten, also, die es bis anhin versĂ€umt haben ihren AbrĂŒstungsverpflichtungen nachzukommen, und so die aktuelle Situation herbeigefĂŒhrt haben.
Vergessen wir nicht, dass es heute mehr als 17â000 Atomwaffen gibt auf der Welt, und dass nicht eine einzige Atomwaffe nachweislich, im Rahmen des NPT vernichtet worden ist. Die Auswirkungen einer einzigen Atomwaffenexplosion wĂ€ren katastrophal, weitrĂ€umig und langfristig. Atomwaffen stellen eine unzumutbare Bedrohung fĂŒr die Menschheit dar. Eine âstep-by-stepâ Politik und âbridge-buildingâ dĂŒrfen nicht als Vorwand dienen, BemĂŒhungen um Verhandlungen fĂŒr ein internationales Atomwaffenverbot nicht entschieden voranzutreiben.
Wer ist besser platziert als die Schweiz, um sich tatkrĂ€ftig fĂŒr ein solches Abkommen einzusetzen? Eine Atomwaffenexplosion hĂ€tte gravierende Folgen fĂŒr die atomwaffenfreien Staaten wie die Schweiz. Diese haben daher Recht, ein Verbot dieser Massenvernichtungswaffe zu verlangen. Sie tragen sogar die Verantwortung dafĂŒr. ICAN Switzerland hofft, dass die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation Chevalley klar zeigt, dass die Schweiz gemĂ€ss ihrer humanitĂ€ren Tradition, wieder eine fĂŒhrende Rolle einnimmt in den internationalen BemĂŒhungen um ein Atomwaffenverbot.
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