Laut einem Bericht von Radio SRF (25. Juni 2018) will das Bundesamt fĂŒr Bevölkerungsschutz (BABS) Roboter und Drohnen anschaffen, die bei einem âatomaren Ernstfallâ zum Einsatz kommen sollen. Hauptgrund fĂŒr die Anschaffung ist laut BABS-Chef BĂŒhlmann die verĂ€nderte âBedrohungssituation in den letzten Jahrenâ.
Zu den Bedrohungsquellen gehören gemĂ€ss BĂŒhlmann ein Transportunfall oder ein Unfall in einem Labor mit radioaktivem Material, aber v.a. auch der terroristische Einsatz einer âschmutzige[n] Bombeâ, die bei ihrer Explosion âdie ganze Umgebung radioaktiv verseuchenâ wĂŒrde.
Mit den neu angeschafften Robotern und Drohnen soll die Schweiz fĂŒr ânukleare Katastrophenâ gerĂŒstet sein. Sie sollen laut SRF âdie RadioaktivitĂ€t messenâ und âradioaktive Gefahrenherde beseitigenâ können.
«Wir möchten in so einem Fall natĂŒrlich nicht mit Personen in die NĂ€he gehen», so Benno BĂŒhlmann, Chef des Bundesamtes fĂŒr Bevölkerungsschutz.
Radioaktive Verseuchung â was bedeutet das in der RealitĂ€t?
Roboter werden eine wachsende Rolle beim Schutz der Bevölkerung im Falle der Freisetzung von ionisierender Strahlung und RadioaktivitĂ€t durch einen Unfall (z.B. im AKW) oder durch KriminalitĂ€t spielen. Die Aussage, „[d]adurch könnten sowohl kleine wie grosse EinsatzbedĂŒrfnisse bewĂ€ltigt werden“ muss aber relativiert werden. Das Labor Spiez schĂ€tzt die Auswirkungen einer âschmutzigen Bombeâ mit 5 kg konventionellem Sprengstoff, die wĂ€hrend der Stosszeiten auf dem Bahnhofplatz einer Grossstadt explodiert, wie folgt ab:
- 30 Todesopfer, 55 Schwerverletzte oder Erkrankte, ca. 100 Personen erleiden mittelschwere und ca. 1000 Personen leichte Verletzungen. Es kommt zur Kontamination der betroffenen SpitÀler.
- Erhebliche Störung des gesamten Bahnverkehrs. Ausserdem können die Mobilfunknetze zusammenbrechen.
- TemporĂ€re Ernte- und Weideverbote, die sich in Windrichtung befinden, sowie Zugangssperrung fĂŒr einige Jahre zu WĂ€ldern, die nicht dekontaminiert werden können.
- Die Liegenschaften lokaler Hausbesitzer verlieren mittelfristig massiv an Wert. Auch der Tourismus ist schwer betroffen.
- Die gesamten BewÀltigungskosten und VermögensschÀden werden auf 5 Mrd. CHF geschÀtzt, die Reduktion der wirtschaftlichen LeistungsfÀhigkeit auf 8 Mrd. CHF.
Bei der von BĂŒhlmann erwĂ€hnten âschmutzigen Bombeâ handelt es sich â im Gegensatz zu einer Atomwaffe â um eine Sprengvorrichtung mit konventionellem Sprengstoff, die RadioaktivitĂ€t verbreitet. Die Explosion einer Atombombe wĂ€re um ein Vielfaches zerstörerischer.
Das Labor Spiez hat sich auch mit diesem Szenario befasst. Es beschreibt die Auswirkungen einer Atombombe mit einer Sprengkraft von ca. 20 kT, die 50 km von der Schweizer Grenze explodiert, so:
- Etwa 1,4 Millionen Menschen wĂŒrden im Gebiet leben, in welchem der Jahresgrenzwert von 1 mSv im Freien ĂŒberschritten wĂŒrde. Etwa 800â000 Personen wĂ€ren im ersten Jahr im Freien einer Dosis von mehr als 10 mSv ausgesezt. In dicht besiedelten Kantonen wie Aargau, ZĂŒrich oder Zug lĂ€ge die Anzahl Betroffener bis zu viermal höher.
- LÀngerfristig muss trotz der Entfernung zum Explosionsort mit zusÀtzlichen Krebserkrankungen gerechnet werden.
- Die am meisten kontaminierten Gebiete werden evakuiert werden mĂŒssen. Teile davon
werden nicht dekontaminierbar sein und die Bevölkerung wird umgesiedelt werden
mĂŒssen. - Ein Gebiet von mehreren 1â000 Quadratkilometer wird radioaktiv kontaminiert, teilweise sehr stark. In den betroffenen Gebieten ist mit dramatischen EinschrĂ€nkungen der landwirtschaftlichen Produktion zu rechnen.
- Die Wirtschaft wird in den am meisten kontaminierten Gebieten ĂŒber Monate bis Jahre
vollstÀndig still stehen.
Was dieses Szenario nicht erwĂ€hnt: WĂŒrde diese Atombombe in einer Schweizer Grossstadt explodieren wĂ€re mit etwa 70â000 Toten am ersten Tag zu rechnen. In den folgenden Tagen wĂ€re mit weiteren Zehntausenden von Opfer zu rechnen, die mangels benötigter Ă€rztlicher Versorgung sterben werden. In einem Radius von ca. 1-3 km wĂŒrden alle GebĂ€ude zerstört oder beschĂ€digt. In einem Umkreis mit Radius von 1,7 km wĂ€ren schwere SchĂ€den auch an unterirdischen Leitungen zu erwarten.
Bis heute sind keine derartigen radiologischen AnschlĂ€ge mit verheerenden Folgen bekannt. Aber: âDie Gefahr nuklearer Angriffe steigtâ, wie BundesrĂ€tin Doris Leuthard unlĂ€ngst betonte. Gegen die radioaktive Verseuchung und langanhaltenden Umwelt- und GesundheitsschĂ€den einer Atombombenexplosion helfen auch Roboter nicht. âDenn weder bestehen die internationalen KapazitĂ€ten noch ein Plan, um den Opfern eines Nuklearangriffs angemessen zu helfenâ, betonten die PrĂ€sidenten des IKRK und des Schweizerischen Roten Kreuzes Anfang des Monats.
Einer nuklearen Katastrophe vorbeugen
Eine solche nukleare Katastrophe gilt es unbedingt zu verhindern. PrĂ€vention ist die einzig vernĂŒnftige Vorgehensweise. Angesichts der humanitĂ€ren Katastrophe einer Atomwaffenexplosion sind alle Staaten gefordert, das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes durch die Abschaffung dieser Waffen zu reduzieren. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der Beitritt zum UN-Vertrag ĂŒber das Verbot von Atomwaffen.
„Um ein solches Ereignis zu verhindern, sind die politischen Bestrebungen in Bezug auf die Kontrolle und AbrĂŒstung von Nuklearwaffen zu intensivieren und umzusetzen.“ (Labor Spiez, ‚A-Waffenexplosion am Boden in GrenznĂ€he zur Schweiz‘)
Dass die gegenwĂ€rtige Weltlage dringliche Massnahmen erfordert, um die Sicherheit aller zu gewĂ€hrleisten, sieht auch die Schweiz ein. Seit 2014 betont der Bundesrat âdass ein Verbot von Nuklearwaffen notwendig sein wird, um das Fernziel einer nuklearwaffenfreien Welt erreichen zu könnenâ. Er bestĂ€tigt ausserdem, dass das Atomwaffenverbot âzentralen Interessen und Werten der Schweizâ entspricht.
Im Sinne unserer humanitĂ€ren Tradition hat sich der Nationalrat Anfang Juni fĂŒr den Beitritt zum Atomwaffenverbot ausgesprochen. Jetzt ist es an der aussenpolitische Kommission des StĂ€nderates sicherzustellen, dass der Bundesrat den Vertrag so schnell wie möglich unterzeichnet und diesen umgehend dem Parlament zur Genehmigung fĂŒr die Ratifikation vorlegt.