UNO beschliesst Verhandlungen ĂŒber Atomwaffenverbot

Gestern, Donnerstag, 27. Oktober 2016, hat die UN-Generalversammlung in New York, eine wegweisende Resolution verabschiedet, die vorsieht 2017 Verhandlungen ĂŒber ein Atomwaffenverbot aufzunehmen. Diese historische Resolution öffnet nach jahrzehntelanger Blockade ein neues Kapitel in der atomaren AbrĂŒstung.

An der gestrigen Sitzung des ersten Ausschusses der UN-Generalversammlung, der sich mit Fragen der AbrĂŒstung und der internationalen Sicherheit befasst, haben 123 UNO-Mitgliedstaaten fĂŒr und 38 gegen die Resolution L.41 gestimmt. 16 Staaten enthielten sich ihrer Stimme, darunter die Schweiz.

Die Resolution sieht vor, Anfang MĂ€rz 2017 eine UNO-Konferenz einzuberufen, um „ein rechtsverbindliches Instrument zu verhandeln, das Atomwaffen verbietet, mit Hinblick auf deren vollstĂ€ndige Vernichtung”.

Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), eine globale Koalition von Nichtregierungsorganisationen in fast 100 LĂ€ndern, sieht in der Verabschiedung dieser Resolution einen bedeutenden Fortschritt, der einen grundlegenden Wandel im weltweiten Kampf gegen diese existentielle Bedrohung signalisiert.

„Seit sieben Jahrzehnten warnt die UNO vor den Gefahren, die von Atomwaffen ausgehen, und setzen sich Menschen weltweit fĂŒr die Abschaffung dieser Waffen ein. Heute hat sich die Mehrheit der Staatengemeinschaft dazu entschlossen, Atomwaffen endlich zu Ă€chten”, so Beatrice Fihn, Direktorin von ICAN.

 

57 Staaten aus allen Regionen der Welt haben die Resolution zusammen eingebracht, darunter Österreich, Liechtenstein, Neuseeland und Schweden. Trotz betrĂ€chtlichem Druck von Seiten gewisser AtommĂ€chte hat eine ĂŒberwĂ€ltigende Mehrheit fĂŒr die Resolution gestimmt.

Das in Genf ansĂ€ssige Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bezeichnete die Abstimmung unlĂ€ngst als eine „einzigartige Gelegenheit, die zerstörerischste Waffe, die je erfunden wurde“ zu verbieten. Nur wenige Stunden vor der Abstimmung verabschiedete das Europaparlament eine Resolution, die alle EU-Mitgliedstaaten dazu aufruft, die Einberufung eine Konferenz zum Verbot von Atomwaffen zu unterstĂŒtzen und „konstruktiv an den Verhandlungen teilzunehmen”.

Auch Schweizer ParlamentarierInnen haben sich im Vorfeld der Abstimmung dafĂŒr eingesetzt, dass die Schweiz die Aufnahme von Verhandlungen unterstĂŒtzt. Trotzdem konnte sich der Bundesrat nicht dazu durchringen, fĂŒr diese historische Resolution zu stimmen. Zusammen mit u.a. den AtommĂ€chten China, Indien und Pakistan enthielt sich die Schweiz ihrer Stimme.

FĂŒr Maya Brehm von ICAN Switzerland ist

das Verbot von Atomwaffen ein humanitÀrer Imperativ. Die Schweizer Haltung in dieser Frage ist enttÀuschend und unvereinbar mit der langen humanitÀren Tradition unseres Landes.

 

In einer ErklĂ€rung zur Stimmabgabe begrĂŒndet die Schweiz ihre Enthaltung damit, dass der Resolutionstext der Schweizer Forderung nach konsensorientierter Beschlussfassung wĂ€hrend den Verhandlungen zu wenig Rechnung trage. Die Forderung zielte darauf ab, die Verhandlungen fĂŒr AtommĂ€chte und ihre Alliierten attraktiver zu gestalten. In den letzten Jahren hat sich die Schweiz darauf konzentriert, als BrĂŒckenbildnerin zwischen dem Lager der AtommĂ€chte und dem der nuklearwaffenfreien Welt zu fungieren.

„Divergenzen zu ĂŒberbrĂŒcken und ein Atomwaffenverbot breit abzustĂŒtzen ist wĂŒnschenswert, aber nicht um jeden Preis” warnt Brehm. “Wir hoffen, die Schweiz beteiligt sich konstruktiv an den bevorstehenden Verhandlungen, auch wenn die AtommĂ€chte ihre Mitarbeit verweigern sollten”.

 

Die Schweiz hat in ihrer ErklĂ€rung denn auch unterstrichen, dass zusĂ€tzliche Rechtsinstrumente notwendig sind, um den Weg hin zu einer einer atomwaffenfreien Welt „zielstrebiger” zu beschreiten. Biologische und Chemiewaffen, wie auch Antipersonenminen und Streubomben sind bereits durch internationale Konventionen verboten. Nuklearwaffen sind die einzigen Massenvernichtungswaffen, die noch nicht vollumfĂ€nglich durch ein Übereinkommen geĂ€chtet sind, trotz ihrer katastrophalen humanitĂ€ren Konsequenzen.

“SelbstverstĂ€ndlich wĂŒrde ein Verbotsvertrag Atomwaffen nicht ĂŒber Nacht aus der Welt schaffen” sagt Annette Willi, PrĂ€sidentin von ICAN Switzerland, “aber es wĂŒrde die Norm gegen den Einsatz und den Besitz dieser Waffen stĂ€rken, bestehende RegelungslĂŒcken schliessen und die lĂ€ngst ĂŒberfĂ€llige Umsetzung der AbrĂŒstungsverpflichtungen anspornen”.

 

“Das Abstimmungsresultat zeigt eindeutig, dass eine Mehrheit der LĂ€nder dieser Welt es als machbar und dringend notwendig erachten, Atomwaffen durch ein völkerrechtliches Übereinkommen zu verbieten”, so Willi.

Abstimmungsergebnis, Resolution L.41 →

Un traité pour interdire les armes nucléaires : 8 mythes dissipĂ©s →

Hintergrund

Die gestern von der UN-Generalversammlung verabschiedete Resolution setzt die Empfehlung einer Arbeitsgruppe der UNO (OEWG) um, die dieses Jahr in Genf tagte mit dem Auftrag, wirkungsvolle Massnahmen zur Förderung der nuklearen AbrĂŒstung zu erörtern.

Sie knĂŒpft an drei Regierungskonferenzen an, die 2013 und 2014 in Norwegen, Mexiko und Österreich stattfanden und sich eingehend mit den humanitĂ€ren Folgen von Atomwaffen auseinandersetzten. Diese ZusammenkĂŒnfte trugen massgeblich dazu bei, das menschliche Leiden und die menschliche Sicherheit ins Zentrum aller nuklearer AbrĂŒstungsbestrebungen zu stellen. Diese Konferenzen boten nuklearwaffenfreien Staaten endlich Gelegenheit, eine aktive Rolle in internationalen AbrĂŒstungsforen zu ĂŒbernehmen. An der letzten Konferenz in Wien im Dezember 2014 drĂŒckten die meisten Regierungen den Wunsch aus, Atomwaffen zu Ă€chten. Im Anschluss an die Wiener Konferenz trug ICAN wesentlich dazu bei, UnterstĂŒtzung fĂŒr den ‘Humanitarian Pledge’ zu gewinnen.

Weltweit gibt es heute immer noch 15’000 Atomwaffen – die meisten von ihnen in den Arsenalen der USA und Russlands. Sieben weitere Staaten besitzen Atomwaffen: Grossbritannien, Frankreich, China, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea.

Nukleare AbrĂŒstung steht seit ihrer GrĂŒndung in 1945 ganz oben auf der Tagesordnung der UNO. In den letzten Jahren sind die BemĂŒhungen, eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen aber zum Stillstand gekommen und die AtommĂ€chte investieren massiv in die Modernisierung und den Fortbestand ihrer Arsenale.

Zwanzig Jahre sind verstrichen seit zuletzt ein multilaterales AbrĂŒstungsinstrument verhandelt wurde: der Vertrag ĂŒber ein vollstĂ€ndiges Verbot von Kernwaffentests von 1996. Der Widerstand weniger Staaten verhindert weiterhin sein Inkrafttreten.

Die Kommentare sind geschlossen.